Der dickste Brocken kommt immer zum Schluss. Er rollte aus Berlin nach Lüneburg, musste in zwei Teile zerlegt werden, ein Kran hob die „Kempewerk Andruckpresse“ schließlich in die Druckwerkstatt der KulturBäckerei. Dort wurde die tonnenschwere Maschine wieder zusammengeschraubt, dort kann nun endgültig mächtig Druck ausgeübt werden – auf mehreren Druckerpressen aus Künstlerhand.
Die Druckpresse stammt aus Nürnberg. Das Kempewerk baute seit 1883 Dampfmaschinen, 1908 eine erste Bogen-Tiefdruckpresse, entwickelte sich zur Spezialmaschinenfabrik für Stereotypie, Chemigraphie, Galvanoplastik, Buchdruck-Schnellpressenbau und Buchdruckerei-Bedarf. Gründer Carl Kempe schrieb ein Grundlagenwerk für Drucker: „Die Papierstereotypie“; die University of Chicago stellte ein Faksimile der Ausgabe von 1898 ins Netz.
Für die Rixdorfer texteten 66 Autoren, darunter H.C. Artmann, Peter Bichsel, Sarah Kirsch und Peter Rühmkorf. Zu den Gümse Treffen pilgerten Kollegen wie Horst Janssen, kamen Politiker von Gerhard Schröder bis Rudi Dutschke, Kabarettisten wie Dieter Hildebrandt und Wolfgang Neuss.
Als Uwe Bremer von „Schloss Gümse“ zurück nach Berlin zog, kam die Presse mit. Neuer Standort war ein Hinterhof an der Potsdamer Straße, in dem Erik Spiekermann eine große Werkstatt-Galerie unter dem Namen P98a betreibt. Spiekermann gilt als einer der bedeutendsten Typografen der Gegenwart. Im Vorderhaus hatten Uwe und Ingrid Bremer eine Wohnung samt Atelier bezogen.
Nun soll nach kurzer Berliner Zeit die KulturBäckerei der letzte Standort der Presse sein. An der Potsdamer Straße wurde nur selten gedruckt, aber war Miete fällig. Es lohnte nicht. Lüneburg passt als Standort, da die Rixdorfer ihre Kunst ohnehin vom Kunstarchiv der Sparkassenstiftung bewahren lassen. Auch das eigene, von der Künstlergruppe unabhängige druckgraphische Werk von Schindehütte und Bremer wurde dem Kunstarchiv anvertraut.
Die schon historische Presse beherrscht nun samt Setzschränken und ihrem unsortierten Schubladen-Chaos aus Buchstaben, Zahlen, Ornamenten die Druckwerkstatt der KulturBäckerei.
(Text: H.-M. Koch)